08/10/2004

Gefährliches Staatsverständnis, Fortsetzung

Die Debatte hat also angefangen. Spannend! Vermutlich wird die Schweiz damit jedoch überfordert sein. Bundesrat Blocher jedenfalls antwortet mit einem Interview in der Weltwoche auf die Attacke Couchepins, nachdem Deissens Ordnungsruf ungehört verhallt ist.

Die Diskussion ist so alt & elementar wie die aristotelische Präferenz für die Mischverfassung, woraus Montesquieu dann die Notwendigkeit der Gewaltenteilung abgeleitet hat.

Die Replik Blochers kann auf zwei Punkte kondensiert werden: 1) "Das Volk und die Stände sind der Souverän, der die Verfassung erlässt und ändert." Die Gewalten Montesquieus mit ihrem geordneten Machtkreislauf haben in diesem geschlossenen Politikbild jedenfalls keinen Platz, was typisch ist für ein tendenziell totalitäres Staatsverständnis. 2) Er will institutionelle Aenderungen (z.B. Volkswahl der Mitglieder des Bundesrates), bestreitet dies aber explizit. Ein offensichtlich taktisches Manöver von überaus fragwürdiger Redlichkeit - aber von Wohlanständigkeit hält er ja bekanntlich nichts.

Dennoch ist es eine Tatsache, dass die gültige Verfassung auf einem gewaltenteiligen System aufgebaut ist. Wenn der SVP-Chefideologe als Mitglied der Landesregierung eine Aufhebung der gewaltenteiligen Verfassungsordnung verlangt (ohne das allerdings taktisch einzugestehen), so befinden wir uns tatsächlich in einer Staatskrise von einer Qualität, die es seit dem Sonderbundskrieg nicht mehr gegeben hat. Und keiner merkt es!

Daraus und aus der Erkenntnis, dass die Konkordanz tot ist, leite ich folgendes Reformprogramm ab: 1. Blocher muss aus dem Bundesrat entfernt werden, und 2. die verfassungstreuen Kräfte aus den bürgerlichen Parteien (inkl. SVP) müssen sich zu einer Regierungskoalition zusammenraufen.

Wenn ich von den bürgerlichen Parteien rede, meine ich damit nicht, dass die Linke ähnlich wie Blochers Parteigänger illoyal zur Verfassung steht. Allerdings ist die Schweiz in ihrem Kern ein bürgerliches Land, das von bürgerlichen Kräften geführt werden muss. Die Tatsache, dass Blochers Parteigänger nach der Zerstörung der (m.E. überlebten) Konkordanz nun auch an den Grundfesten der Verfassung rütteln, müsste eigentlich auch den (allzu) gemässigten Kräften im Land Anlass genug sein, endlich zu drastischen Mitteln zu greifen.

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